Yayoi Kusama and Shadowgram – Nachdenken über Spiel, Regeln und Zufall

Partizipative Kunst spielt oft mit einer Ästhetik der Wiederholung. Formen und Formate, Farben, Größenverhältnisse, Anzahl an Textzeichen,… sind meist vorgegeben und bilden ein Rahmenwerk, welches die Besucherinnen/UserInnen/interagierende Personen  für sich verwenden können. Die KünstlerInnen überlassen alles weitere einem Zufall sowie einem spielerischen Zugang des partizipierenden Kollektivs.

So auch die Arbeiten der wahrscheinlich bekanntesten japanischen Künstlerin der Nachkriegszeit, Yayoi Kusama. Geboren 1929 in Matsumoto, Präfektur Nagano, ließ Yayoi Kusama im Jahr 1966 die BesucherInnen der damaligen Biennale in Venedig – für die sie offiziell nicht eingeladen wurde – mit ihrem eigenmächtig installiertem Happening „Narcissus Garden“ von sich sprechen und erlangte weltweite Bekanntheit erstmals.Sie baute 1500 spiegelnde Kugeln vor der Ausstellungshalle auf und kunstinteressierte Passanten konnten um 1.200 Lire (das würde heute ca. etwas mehr als 1,- EUR entsprechen) damals eine Kugel mit der Aufschrift „Your Narcisium For Sale” kaufen. Neben dieser arbeitsbezogenen Kritik am Kunstmarkt interessierte die Künstlerin das Aufheben der Grenzen zwischen der Künstlerin, ihrem Publikum und ihrer Umgebung  und veranlasste Yayoi Kusama, dass sie von da an auch weiterhin in ihren Performances und Happenings das Publikum und ihre Umwelt in ihre Arbeiten mit einbezog und sie u.a. als Leinwand für Ihre Arbeit einsetzte.[i]

In ihrer prozessorientierten Arbeit „obliteration room “, eine partizipative Arbeit mit Kindern, die bereits im Jahr 2002 im Rahmen der Queensland Art Gallery’s ‘APT 2002: Asia Pacific Triennial of Contemporary Art“ erstmals gezeigt wurde[ii], wurde ein weißer Raum mit weißen Gegenständen wie Sofa, Tisch, Sessel usw. über einen längeren Zeitraum von tausenden Kindern mit Punkten in verschiedenen Farben und Größen beklebt.

Ein Interesse am  Zufall, ein spielerischer Zugang, ein festgesetzes Rahmenwerk der KünstlerInnen und eine (auf den ersten Blick zumindest undefinierbare) Menge an Beiträgen sind jene Voraussetzungen, die eine überwiegende Mehrheit der bewussten partizipativen Prozesse begleiten.

Ein Beispiel ähnlicher Ästhetik (auch hier waren u.a. japanische KünstlerInnen Emiko und Hideaki Ogawa  involviert) findet man bei der Installation Shadowgram im Ars Electronica Center in Linz: Das vom Ars Electronica Futurelab entwickelte Social Brainstorming Projekt lädt nicht nur ein seinen eigenen Schatten als Sticker an die Wand zu kleben (nachdem man eine Minute zuvor von einer Kamera und vor einem Leuchtkasten stehend erfasst wurde, sodass dieses Bild an einen Spezialdrucker weitergeleitet werden kann, der die Silhouette ausschneidet). Zusätzlich erfragt die Installation zu einem gewissen Thema einen schriftlichen Beitrag der BesucherInnen, der mittels Sprechblase zum Schatten geklebt werden kann. Beeindruckend ist, wie überzeugend durch die Silhouette und die Sprechblase die eigentliche Person dahinter mit kommuniziert wird. Es entsteht ein kollaborativer Gedankenraum der partizipierenden Personen, der visuell definiert und abgegrenzt wird über die aufgeklebten Beiträge und zusätzlich als ein Imaginationsraum der betrachtenden BesucherInnen fungiert. Ist bei Yayoi Kusama der Raum eindeutig begrenzt wie eine Leinwand über die nicht hinaus gemalt werden kann, so erweitert Shadowgram explosionsartig Tag für Tag sein eigenes Format.

Ein spielerischer Zugang als Motor zur Partizipation ist in beiden Installationen ein essentielles Element. Ein Blick zurück in die europäische Kunstgeschichte zeigt, dass Kunst, die im Kollektiv entsteht, ihren Ursprung in einem alten Gesellschaftsspiel nahm: Die Surrealisten rund um André Breton im Paris der 1920er Jahre entwickelten eine kollaborative Papierfaltmethode „Cadavre Exquis“ zur Kunstform[iii].

Mehr dazu aber in einem der nächsten Blogeinträge….

 


[i] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Yayoi_Kusama

[ii] Vgl. http://interactive.qag.qld.gov.au/looknowseeforever/works/obliteration_room/

[iii] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Cadavre_Exquis

Photocredits:

Installation view of “The obliteration room 2011? as part of ‘Yayoi Kusama: Look Now, See Forever’, Gallery of Modern Art, 2011 / © Yayoi Kusama, Yayoi Kusama Studio Inc. / Photograph: Mark Sherwoo

Shadowgram installation detail © Johannes Ramsl 2011

Shadowgram installation at Ars Electronica Center © Manuela Naveau 2012

 

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