MY TURKED IDEAS

EINE SELBST-FALL-STUDIE: MY TURKED IDEAS
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Als ich im Jahr 2006 auf die Projekte von Aaron Koblin aufmerksam wurde, hörte ich zum ersten Mal von Crowdsourcing. Ich war einerseits irritiert, dass es möglich zu sein scheint, qualitätsvolle Aufgaben über das Internet an viele anonyme Andere auszulagern. Und ich war andererseits aber auch begeistert, als ich im Jahr 2006 im Rahmen meiner kuratorischen Tätigkeit für Ars Electronica Linz so gut wie alle 10.000 Schafszeichnungen zu Aaron Koblins The Sheep Market zu Gesicht bekam und die Ausdrucke bei LABoral in Gijon/Spanien mit Stecknadeln in einer gemeinschaftlichen Aktion mit Aufbauhelfer/innen an die Wand heftete. Ein Meer aus Schafzeichnungen erstreckte sich vor uns, und doch war jede einzelne Zeichnung anders. Auch wenn sie mit ein und demselben Computerprogramm realisiert wurden, so war jedes Schaf für sich ein Platzhalter für eine Person.(1)
Für Koblin begann alles im November 2005, als er erfuhr, dass Amazon an einer Innovation arbeitete: Bislang unersetzliche menschliche Intelligenz und Arbeitskraft von über die ganze Welt verstreuter Personen sollten auf einer Online-Plattform gebündelt werden. Darüber sollten Arbeitsaufträge wie Übersetzungen, Recherchen oder Bewertungen prompt abgewickelt werden können. Amazons Mechanical Turk (MTurk) war gerade geboren, und der Kunststudent Koblin war neugierig und wollte wissen: Kann damit auch Kunst gemacht werden? Er benutzte die Plattform Amazon Mechanical Turk, um Projekte wie The Sheep Market oder Ten Thousand Cents zu realisieren, und kaufte Arbeitskräfte an, die die Arbeiten für ihn realisierten. Nun ist es in der Kunst nicht neu, dass angekaufte Arbeitskräfte die Kunstwerke anfertigen. Bisher konnten sich dies jedoch nur wenige Künstlerpersönlichkeiten wie beispielsweise Andy Warhol, Jeff Koons, Damien Hirst oder Anselm Reyle (2) leisten. Es ging dem Kunststudenten Koblin eigentlich auch nicht darum, sozusagen Online-Leasing-Arbeiter/innen zu beschäftigen, um seine Kunst schneller produzieren lassen zu können, sondern seine Arbeit ist in der kritischen Tradition eines Santiago Sierra zu verstehen, der kapitalistisch orientierte Arbeitsmodelle, neue Systematiken von Armut und Entlohnungsschemata hinterfragte. Wenn Sierra in seinen Arbeiten die Anderen bezahlt, damit sie sich tätowieren lassen (3) oder den Satz El trabajo es la Dictadura (Die Arbeit ist die Diktatur) in tausend Bücher zu schreiben (4), dann abstrahiert der Künstler aus dem Leben gegriffene Praxen und präsentiert sie losgelöst von anderen Zusammenhängen, um sichtbar zu machen, wie unsere Welt funktioniert. In der Beschäftigung mit dem Thema der Auslagerung von Arbeiten und des Zusammenarbeitens mit Anderen über die Plattform Amazon Mechanical Turk ergab sich wie von selbst folgende Fragestellung: Was ist, wenn ich die Situation auf die Spitze treibe? Wenn ich nicht ein vordefiniertes Kunstwerk erarbeiten lasse, sondern die Idee zu einem Kunstwerk ankaufe? Wem gehört dann die Idee? Was passiert dann? Empört sich jemand oder nicht? Und was wird eigentlich unter »Crowd Art« verstanden?
Ich fing also an, mich als sogenannter Requester bei Amazon Mechanical Turk einzuloggen, nachdem ein Versuch der Kooperation mit einem der größten Crowdsourcing-Unternehmen im deutschsprachigen Raum, der Clickworker.com humangrid GmbH in Essen, gescheitert war. Doch auch auf Amazon Mechanical Turk konnte ich mich nur registrieren, nachdem ich mir über eine entsprechende Website eine falsche amerikanische Wohnadresse zugelegt hatte, da Amazon Mechanical Turk anscheinend keine Requester aus Österreich zulässt.(5) Erstaunlich war dabei, dass Amazon sehr wohl wusste, wer ich bin, und zu meinem existierenden Amazon-Account die amerikanische Adresse hinzufügte. Noch erstaunlicher war, dass es mir unmöglich war, als Provider (oder: Turker) von HIT-Results (Human Intelligence Tasks) zu arbeiten (6), selbst dann nicht, als ich als Requester akzeptiert wurde.
Nachdem ich also erfolgreich als Requester angemeldet war, konnte ich loslegen. Im Dezember 2013 begann ich nach den ersten Beiträgen zu fragen:

»Within the framework of an artistic research project we want to learn more about crowd art projects. We are calling for an idea description including a sketch (title and project description of max. 100 words in easy formats like word, pdf or jpg) including a quick sketch and an indication of your age and gender.«

Als »Reward« bot ich USD 3,00 an. Innerhalb von zwei Tagen ab Akzeptieren meines HITs sollte ein Ergebnis übermittelt werden (Timer: 2 days), zudem keine speziellen Qualifikationen gefragt waren. Requester-Anfragen (bzw. HITs) sind grundsätzlich zu Beginn kostenlos (im Vergleich zu dem hochpreisigen Angebot von Clickworker.com), man muss jedoch spezifizieren, wie viele Beiträge man haben möchte und dementsprechend im Voraus sein MTurk-Konto aufbuchen. Außerdem verrechnet Amazon zehn Prozent pro eingereichtem Beitrag, also in meinem Fall 30 Cent, da ich drei US-Dollar als Honorar pro Beitrag anbot. Ich sammelte zwischen Dezember 2013 und Juni 2014 genau 100 Ideen.(7) Fast alle Ideen haben eine inhaltlich ernst genommene Auseinandersetzung mit dem Thema Crowd Art als Basis, und auch einige wirklich erfrischende Ideen waren unter den Einreichungen zu finden. Nur zwei Einreichungen musste ich ablehnen, da ich die hochgeladene Datei nicht öffnen konnte und auf meine Nachfrage per E-Mail keine Antwort erhielt. Die Beteiligung von Männern und Frauen hielt sich mit 39 zu 38 die Waage, die restlichen waren Ideen ohne entsprechende Kennzeichnung des Geschlechts oder Alters. (8)
Besonders interessant war, dass 21 Beiträge (also etwas mehr als ein Fünftel der Gesamtmenge) (9) mit Namen und/oder MTurker-Identifikationsnummer (MTurker-ID) eingereicht wurden, obwohl nicht nach dem Namen gefragt wurde und es bekanntlich von der Plattform nicht gerne gesehen wird, wenn man als Requester persönlich mit den Turkern/Providern in Kontakt tritt. Einer Studie und einem Blog (10) entnahm ich, dass auch die Turker ihre »Quasi-Anonymität« auch schätzen. Auf der Website der Plattform heißt es im Agreement of Participation:

»To the extent you receive any contact or personal information regarding any Provider who has performed Services for you, such information may only be used as necessary for you to comply with applicable laws and for no other purpose whatsoever. Further, you agree that you will only accept work product from Providers that has been submit-ted through the Site.« (11)

Ich machte die Erfahrung, dass so mache Turker mir auch E-Mails zu-schickten (vorerst über die Kommunikationsmöglichkeit der Plattform), um nachzufragen, ob der HIT richtig verstanden wurde. Ich schließe daraus, dass es von so manchen Turkern ein grundsätzliches Interesse gab, mit mir im Speziellen in Kontakt zu treten. Interessant fand ich auch, dass ich von einem Turker sogar Hinweise zu seiner Person und seiner Website bekam, was eine eindeutige Einladung war, mehr zu seiner Person zu erfahren. Ein Turker erwähnte in seinem Beitrag seine E-Mailadresse, was eine direkte Einladung zur Kontaktaufnahme darstellte. Es wäre natürlich zu hinterfragen, ob ein auf Kreativität angelegtes Projekt wie meines eine Preisgabe der Identität förderte. Andererseits haben nur sechs Turker ihren vollständigen Namen angegeben, und nur eine Person, Kyle E., hat seine E-Mailadresse mit dem Beitrag mitgeschickt. Alle 14 anderen Beiträge wurden von Personen wie Shaina (27 Jahre), Auntie Cathie (73 Jahre) oder Dave (55 Jahre) samt ihrer MTurk-ID abgegeben.
Interessant war auch, dass ein Beitrag unter eine Creative-Commons-Lizenz gestellt wurde, was einen Widerspruch in sich darstellt, heißt es doch in den Geschäftsbedingungen:

»As a Provider, the Requester for whom you provide Services is your client, and as such, you agree that the work product of any Services you perform is deemed a ›work made for hire‹ for the benefit of the Requester, and all ownership rights, including worldwide intellectual property rights, will vest with the Requester immediately upon your performance of the Service. To the extent any such rights do not vest in Requester under applicable law, you hereby assign or exclusively grant (without the right to any compensation) all right, title and interest, including all intellectual property rights, to such work product to Requester.« (12)

Es ist also nicht nur das Scribble samt Projektbeschreibung in meinen Besitz übergegangen, sondern laut den veröffentlichten Nutzungsbedingungen der Plattform auch das Recht am geistigen Eigentum. Dies spiegelt eine Besonderheit des US-amerikanischen Rechts wider, nach dem Ideen grundsätzlich urheberrechtlich schützbar sind. Hingegen können in Österreich künstlerische Ideen nicht geschützt werden. Erst die Materialisierung der Idee zum Kunstwerk (»Werk« ist hier im traditionellsten Sinne zu verstehen, nämlich als abgeschlossene Formgebung mittels realer, anfassbarer Materialien) wie ein künstlerisches Scribble oder eine Zeichnung, eine Malerei, ein Foto, ein Video oder eine Skulptur sind in Österreich urheberrechtlich schützbar. Da es sich bei meinem Projekt nicht nur um Ideen, sondern auch um die Übermittlung von Daten wie Illustrationen oder Werkanleitungen zu einer Idee handelt, ist die Situation in Österreich anders gelagert, allerdings ist die Rechtslage nicht eindeutig. Der Urheberrechtsexperte Dr. Georg S. Mayer gab mir zu verstehen, »dass es besser wäre, es nicht darauf ankommen zu lassen, sondern lieber die Quelle anzugeben« (13). Auf der Website von Amazon Mechanical Turk ist unmissverständlich angeführt, dass alles, was über und durch Amazon Services zur Verfügung gestellt wird, «is the exclusive property of Amazon and protected by U.S. and international copyright laws« (14). Weitergedacht hieße dies im Falle meiner Crowd-Art-Beiträge, dass die Tur-ker/innen in den USA keinerlei Recht oder Anspruch auf die übermittelten Ideen haben, was für mich in einem Widerspruch zur amerikanischen Rechtslage steht, wo Ideen grundsätzlich schützbar sind.
Es war mir von Anfang an ein Anliegen, die Ersteller/innen der Beiträge zu nennen, die Beiträge abzuspeichern und zusätzlich auch auszudrucken, sie mit der MTurker-Identifikationsnummer, dem Datum der Übermittlung des Beitrages und der Uhrzeit zu »signieren« und sie auch analog zu archivieren. Leider hatte Amazon Mechanical Turk nach Beendigung meiner Anfrage, nach Umstelllung der Zahlungsbedingungen im Juli 2014 und nach der Eliminierung von Forschungsprojekten meinen HIT gelöscht (15), und so versanken die Beteiligten in der Anonymität, da Personen nun nicht mehr allein durch ihre MTurk-ID online identifiziert werden konnten.
Wer sind jedoch diese Personen, die mehr oder weniger anonym und zu einem bescheidenen Honorar Microjobs erledigen? Unterstützt diese Form des Zusatzverdienstes nicht auch noch prekäre Arbeitsverhältnisse? Oder bietet die Möglichkeit der flexiblen Zeiteinteilung, der Verrichtung von Arbeiten von zu Hause aus und der Selektion von Arbeitsaufträgen eine so interessante Form der Zusatzbeschäftigung, dass selbst minimale Honorierung in Kauf genommen wird? Studien bestätigen, dass es sich bei diesen Formen von Arbeit nur um eine Aufbesserung eines monatlichen Salärs handeln kann, was die Turker/innen in USA betrifft. In Indien scheinen die Turker/innen auch davon zu leben. (16) Ziemlich genau die Hälfte der Beiträge zu meinem Projekt, nämlich 47 Beiträge, kam von Personen zwischen 18 und 29 Jahren. 14 Beiträge wurden von Personen zwischen 30 und 39 Jahren abgegeben (17), 5 Personen waren zwischen 40 und 49 alt, 10 Personen in den Fünfzigern, und eine Person (Auntie Cathie) soll 73 Jahre alt gewesen sein. Grundsätzlich entsprechen diese Daten auch den Ergebnissen von Studien über Amazon Mechanical Turk. (18) In meiner Fallstudie ist jedoch auffällig, dass nur sehr wenige Beiträge (nämlich acht) von Personen zwischen 36 und 49 Jahren getätigt wurden, was wiederum die These stützt, dass viele Personen in Ausbildung als Turker arbeiten. Die Qualität der Einreichungen, die einen gewissen studentischen, teilweise halb professionellen bis professionellen Eindruck machen, unterstützt diese Annahme. (19) Auch scheint es gerade diese Zielgruppe zu sein, die genau wusste, was mit dem Terminus »Crowd Art« gemeint war und angefragt wurde (auch wenn manche per E-Mail nachfragten, ob sie die Frage korrekt verstanden haben), denn erstaunlicherweise hatten nur zwölf Beiträge nicht eindeutig mit einer unbestimmten Menge an Personen zu tun. (20)
Dass es sich bei diesem Projekt um einen gesetzlichen Graubereich handelt, liegt auf der Hand, und es wirft einige Fragen auf: Ab wann ist ein Scribble ein Kunstwerk? Warum können in Österreich Ideen nicht urheberrechtlich geschützt werden? Warum kann sich ein Internetgigant wie Amazon über die landesweit gültigen juristischen Bestimmungen hinwegsetzen? Kann man Kunst delegieren bzw. was kann eigentlich alles online an Andere delegiert werden? In der Ausstellung I Believe in Internet (21) diskutierte ich mit Besucher/innen der Ausstellung und mit Kolleg/innen meine Erfahrungen, die ich mit Amazon Mechanical Turk gemacht hatte. Wir kreierten eine »workshop based exhibition«, die sich dem Diskurs widmete und nicht so sehr Kunstwerke ausstellen wollte, sondern eher Ideen und Artefakte präsentierte und Prozesse am Laufen hielt, um sich mit den Anderen darüber auszutauschen. Es war also keine Ausstellung im herkömmlichen Sinn, sondern wir generierten über Artefakte dialogische Situationen, um einerseits unser Know-how zu präsentieren und andererseits Input und Erfahrungen von Besucher/innen im dialogischen Austausch zu bekommen. (22)
In einem weiteren Schritt möchten wir diese Form der Diskurs-Ausstellung verstärkt kunstfernen Zielgruppen anbieten, um auch deren Eindrücke und Erfahrungen in unseren Forschungsprojekten mehr Gewicht geben zu können. Des Weiteren möchten wir auch Diskurs-Ausstellungs-Spiele für Schulen entwickeln, um mit jungen Personen in Ausbildung in Austausch treten zu können. Im Falle von My Turked Ideas würde ich gerne als nächsten Schritt austesten, wie Turker reagieren, wenn sie eine Bezahlung bekommen, ohne dass sie einen neuerlichen Beitrag geleistet haben. Einen Teil des Honorars zur nächsten Ausstellung möchte ich gerne den Turker/innen anbieten und beobachten, welche Reaktionen sich daraus ergeben. Fragen sie, warum? Und falls ja, wie reagieren sie, wenn sie erfahren, dass sie Teil einer Ausstellung sind, die bereits zum zweiten Mal gezeigt wird? (23)
Wenn es um Partizipation in der Kunst geht, ist für mich der Austausch das Wesentlichste aller Merkmale: ein Schwerpunkt auf Kommunikation und Dialog in einem spielerischen Regelwerk, wo dem Zufall Raum gegeben und den Beteiligten mit Respekt begegnet wird. Ich vertrete die Meinung, dass der Zufall sogar eine noch größere Bedeutung bekommt, wenn es um unwissentliche Formen der Beteiligung geht, da die Künstler/innen nicht ahnen können, wie die Beteiligten reagieren werden. Eher noch können sie deren Reaktion als unwissende Beteiligte einschätzen. Sobald sie jedoch wissende Beteiligte sind, ist der Ausgang jeder einzelnen Beteiligung nicht vorhersehbar. Zum Beispiel hat nur eine Person ihren Beitrag unter eine Creative-Commons-Lizenz gestellt und damit festgelegt, wie ich die Idee nutzen kann. Alle anderen Beitragenden lieferten wie angefragt eine Idee für ein Forschungsprojekt, das inspirierend wirkte und mit anderen, zufälligen Beiträgen wiederum etwas Zufälliges – und nicht eine von mir als Künstlerin geplante Fortführung – ergeben kann. (24)

Conclusio – My Turked Ideas
Was auffällig ist in dieser Self-Case-Study und was auch die meisten der anderen Fallstudien bestätigen, ist, dass sich die Formen der Online-Beteiligung erweitert haben und es bei den Projekten nicht vordergründig um Emanzipation, Ermächtigung, Demokratisierung oder irgendwelche andere Idealvorstellungen geht, die wir nach wie vor mit dem Begriff »Partizipation« verbinden und in denen immer ein Machtgefälle impliziert ist (Wer ermächtigt wen? Wer ist schon demokratisiert oder emanzipiert, wer soll durch Beteiligung demokratisiert oder emanzipiert werden?). Partizipatorische Systeme des Einschlusses und des Ausschlusses waren bereits Gegenstand theoretischer Auseinandersetzungen. (25)
Formen der unwissentlichen Teilnahme an Kunstwerken, die immer häufiger werden, seit das Internet auch die künstlerische Praxis beeinflusst, benötigen vor allem eines: Respekt der Person gegenüber, die unwissentlich involviert wird. Und in meinem Falle sehe ich weder die MTurker/innen noch die Teilnehmer/innen der Diskurs-Ausstellung als Opfer einer Ausbeutung zum Zwecke der Maximierung von persönlichem Wissen oder Status. Umso wichtiger ist, dass ich mein Wissen in Austausch mit den Anderen stelle, genauso wie ich Gewinn und Informationen teilen möchte. Dass mich dies als Initiatorin eines Projektes in ein Machtgefälle mit den Teilnehmer/innen stellt, ist eine Tatsache, die kritisiert werden kann. Meine Erfahrung und Beschäftigung mit dem Thema hat mir gezeigt, dass das Thema Autorenschaft ganz neu angedacht werden muss. Autorenschaft ist – wie Wissen – für mich immer eine Form der Zusammenarbeit, der Verlinkung und Referenzierung. Und es geht um eine entsprechende Wertschätzung der Beteiligten, selbst wenn die Anderen nicht wissen, dass sie daran beteiligt waren. Respektvolle und anerkennende »Verlinkung« der Partizipierenden in einem entsprechenden Maße sind meiner Meinung nach die Herausforderungen unserer vernetzten Wissensgesellschaft, für die wir eine Form finden müssen. Autorenschaft und Besitzdenken – zwei Umstände die wir neu konnotieren und im Geiste einer vernetzten Realität neu denken müssen.

»[…] das Aneignen oder Privatisieren. Es gibt viele Modelle von Aneignung, die nicht auf die Schaffung oder Bildung von exklusivem Eigentum abzielen müssen. […] Da bestehen Möglichkeiten, über Aneignung nachzudenken, über Distribution, über Vertei-lung, über Verbreitung, wo es nicht allein um die Bildung und Sicherung von Exklusiv-besitztümern geht!« (Thomas Macho im Interview mit der Autorin am 12. 08. 2014, Tonaufnahme im Archiv der Autorin.)

(1) Koblin erfragte Zeichnungen von Schafen, die nach links sehen. Natürlich bekam er auch Schafe, die nach rechts sahen, sowie einige wenige Wölfe und schwarze Schafe übermittelt.
(2) Ein interessanter Artikel in Die Welt vom 12. Juli 2009: http://www.welt.de/kultur/article4074879/Die-Kunst-andere-fuer-sich-arbeiten-zu-lassen.html (Stand 08. 01. 2015).
(3) Vgl. »linea de 250 cm tatuada sobre seis personas remuneradas« (250 cm line tattooed on six paid people). Espacio Aglutinador Havana, Dezember 1999, http://www.santiago-sierra.com/996_1024.php (Stand 08. 01. 2015).
(4) Vgl. http://www.santiago-sierra.com/201301b_1024.php?key=1 (Stand 08. 01. 2015).
(5) Ich möchte mich bei Dr. Martina Mara für den Hinweis bedanken.
(6) Ich hätte gerne selbst ausgetestet, was die Arbeit eines Turkers ausmacht, wie viel Zeit man wofür benötigt und wie sich generell der Prozess des Erarbeitens von Microjobs online gestaltet. Auch konnte man der Plattform nicht entnehmen, welche Nationalitäten als Requester oder Provider zugelassen werden.
(7) Ich wollte in einem Zeitraum von ca. einem halben Jahr austesten, ob sich die Art der Beteiligung ändert, und habe aus diesem und aus ökonomischen Gründen immer nur 10 bis 20 Ergebnisse pro Zeitraum von ungefähr einer bis zwei Wochen erfragt. Im Schnitt bekam ich ca. einen Beitrag pro Tag über die Plattform übermittelt.
(8) In der Annahme, dass die Angaben der MTurker der Wahrheit entsprechen, bestätigt dies auch die Ergebnisse der Studie http://www.international.ucla.edu/media/
files/SocialCode-2009-01.pdf (Stand 09. 01. 2015).
(9) Genau dieselbe Menge – also 21 Personen – gaben überhaupt keine Information ab (weder Info zu Geschlecht noch Alter).
(10) Vgl. http://crowdresearch.org/blog/?p=8368 (Stand 10. 01. 2015).
(11) Vgl. https://www.mturk.com/mturk/conditionsofuse (Stand 09. 01. 2015).
(12) Ebd.
(13) Im Telefonat mit Dr. Georg S. Mayer sprach dieser exemplarisch von der Situation eines Kalenders, den ich in meinem Namen entwickeln und für den ich die Entwürfe der MTurker/innen möglicherweise benutzen könnte.
(14) Vgl. http://www.amazon.com/gp/help/customer/display.html/ref=footer_cou?ie=UTF8&nodeId=508088 (Stand 09. 01. 2015).
(15) Vgl. http://mturkdata.com/academic-surveys.html (Stand 09. 01. 2015).
(16) Vgl. http://crowston.syr.edu/sites/crowston.syr.edu/files/3890210.pdf (Stand 09. 01. 2015).
(17) Davon sind 11 Personen zwischen 30 und 35 Jahre alt.
(18) Vgl. http://www.international.ucla.edu/media/files/SocialCode-2009-01.pdf (Stand 09. 01. 2015).
(19) Vgl. auch Manovich 2008.
(20) Zwei Projekte innerhalb der zwölf Beiträge, die ich nicht zum Inhalt hatten, dass sie mit einer unbestimmten Menge an Personen experimentierte, behandelten Formen der Kollaboration zwischen zwei Personen unterschiedlicher Metiers oder waren als Interaktive Art Installation skizziert. Die restlichen zehn Beiträge waren schwierig zu verstehen, was überhaupt gemeint war.
(21) Vgl. http://www.crowdandart.at/2014/11/09/i-believe-in-internet/ (Stand 09. 01. 2015).
(22) Aus den Gesprächen mit Personen, die an der Diskurs-Ausstellung beteiligt waren, ergab sich ein Gedankenexperiment: Was kann eigentlich alles online ausgelagert werden? Kann es sein, dass die Webplattform etwas legitimiert, das eigentlich nicht legal ist? Was wären z. B. Modelle des outgesourcten Terrors oder Mordes?
(23) Die Schwierigkeit dabei ist, dass ich mir zwar alle MTurk-IDs notiert habe, jedoch über die Plattform keinen direkten Zugang mehr zu den Turker/innen habe, da »International academic requesters were banned from Amazon Payments in August of 2014.« Vgl. http://mturkdata.com/academic-surveys.html (Stand 10. 01. 2015).
(24) Auf einem Online-Forum wurde mein HIT kurz nach seiner erstmaligen Veröffentlichung auf AMT erwähnt, da er sich anforderungsmäßig offenbar von den üblichen HITs abhob. Ein Turker mit Nicknamen Mills schrieb dort, dass er nicht an dem HIT interessiert sei und meinte: »I don’t think I would (Anm.: do the HIT) at that price. My art gets auctioned off [...] I don’t want to cheapen its high prestige.« Er versetzte die Meldung mit einem lachenden Smiley, wissend (nehme ich an), dass sein Beitrag, auch wenn er einen tätigen würde, nur unter sehr schwierigen Umständen mit ihm als Person in Verbindung gebracht werden würde. Ich vermute, dass diese Person dem »Dunstkreis« von Künstler/innen zugeordnet werden kann und er zumindest erahnt, dass es sich um keinen üblichen HIT handelt.
(25) Vgl. zum Beispiel die Konferenz Paradoxien der Partizipation aus dem Jahre 2007; URL: http://www.zhdk.ch/index.php?id=64943 (Stand 09. 01. 2015).

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